2. Bekämpfung intestinaler Protozoen
2.1. Giardia Intestinalis
2.1.1. Biologische Grundlagen Arten
Giardia intestinalis (syn. G. duodenalis, G. lamblia) kommt bei einer Vielzahl von Wirbeltieren vor. Es treten mehrere Genotypen (A-G) mit unterschiedlichen Wirtsspektren auf.
Lebenszyklus
Der Entwicklungszyklus von G. intestinalis ist homoxen. Trophozoiten besiedeln den Dünndarm, vermehren sich durch wiederholte Zweiteilung und bilden widerstandsfähige Zysten, die mit dem Kot in die Umwelt gelangen. Die Anzahl der ausgeschiedenen Zysten ist häufig sehr groß. Die Infektion erfolgt oral durch die Aufnahme von Zysten. Nach einer Infektion heften sich die Trophozoiten an die Schleimhautepithelzellen. Die Präpatenz beträgt 4-16 Tage. Zysten sind unmittelbar infektiös und können intermittierend über mehrere Wochen oder Monate ausgeschieden werden (Patenz).
Epidemiologie/Vorkommen
Giardia-Infektionen zählen bei Jungtieren < 1 Jahr zu den häufigsten Endoparasitosen. Die Prävalenz liegt deutlich über der älterer Hunde und Katzen. Zysten werden von Tieren mit klinischen Symptomen, aber auch bei inapparentem Verlauf ausgeschieden. Eine Infektion induziert eine Teilimmunität, die zu einem milderen Krankheitsverlauf oder in einigen Fällen zu einer vollständigen Eliminierung des Erregers führen kann. Diese partielle Immunität kann Reinfektionen aber nicht sicher verhindern. Die Übertragung von Giardien erfolgt oral als Schmutz- oder Schmierinfektion sowie durch fäkal kontaminiertes Wasser und Futtermittel. Die minimale infektiöse Dosis beträgt nur wenige Zysten. Die Zysten bleiben in feuchter Umgebung mindestens 3 Monate und im Kot rund 1 Woche infektiös, sind aber gegenüber Austrocknung und kalten Temperaturen (-4 °C über eine Woche) empfindlich. Wildtiere und andere Tiere können ebenfalls befallen sein, zoonotische Übertragungen auf den Menschen sind möglich (siehe 2.1.5.).
2.1.2. Klinische Symptomatik
Die Infektion verläuft häufig inapparent. Klinisch auffällig ist sie vor allem bei Hunde- oder Katzenwelpen sowie bei immunsupprimierten Tieren, besonders bei gleichzeitiger Infektion mit anderen Erregern. Die Beschwerden äußern sich in chronisch intermittierenden Durchfällen mit dünnbreiiger bis wässriger Kotkonsistenz und Schleimhautbeimengungen. Weitere Symptome sind Inappetenz, Vomitus, Gewichtsverlust und Apathie.
2.1.3. Diagnose
Giardia-Infektion verlaufen häufig über lange Zeit asymptomatisch, insbesondere bei erwachsenen Tieren. Zur Diagnose eines Giardia-Befalls ausgehend von Kotproben stehen mehrere Methoden zur Verfügung:
- Mikroskopischer Nachweis von Giardia-Zysten (ca. 10-20 x 5-10 μm groß, meist längsoval, dünnwandig) nach Anreicherung mit Flotationsmethoden (Flotationsmedium: Zinkchlorid-, Zinksulfat- oder Zuckerlösung). Die Zysten werden durch diese Lösungen verformt, sind jedoch mit Erfahrung identifizierbar. Eine Alternative ist das Sodiumazetat Azetatessig-Formalin(SAF)- Konzentrationsverfahren in dem die Zystenmorphologie konstant bleibt. Es empfiehlt sich, Einzelkotproben von zwei oder drei aufeinanderfolgenden Tagen zu untersuchen, da die Zystenausscheidung stark variieren kann. Verwechslungsgefahr besteht v.a. mit Hefen, die ähnliche Form und Größe aufweisen können, bei denen jedoch, im Vergleich zu den Giardien, die Kerne nicht sichtbar sind und die Mediankörper fehlen. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine Assoziation zwischen Zystenzahl im Kot und dem Auftreten oder der Stärke klinischer Symptome.
- Mikroskopischer Nachweis im Direktkotausstrich in (warmer/37°C) physiologischer Kochsalzlösung ermöglicht eine rasche Diagnose bei massivem Befall (Ausscheidung von Trophozoiten in Durchfallproben). Anhand unterschiedlicher Bewegungsmuster der Trophozoiten kann eine Differenzierung von Giardien („fallendes Blatt“) zu Trichomonaden (z.B. Tritrichomonas foetus; zuckend-drehend, eher ortsständig) vorgenommen werden. Diese Nativuntersuchung eignet sich nur für frische (unter 30 min), nicht gekühlte und flüssige Proben und weist eine geringe Sensitivität auf.
- Nachweis von Giardia-spezifischem Kopro-Antigen mittels kommerziell erhältlicher Immunoassays (z.B. ELISA). Grundsätzlich weisen Enzym-Immunoassays (EIAs) durch die Enzymaktivität mit Farbreaktion eine höhere Sensitivität und durch den eingeschalteten Waschschritt eine höhere Spezifität gegenüber Nicht-Enzym-Immunoassays (NEIAs) auf. Die verfügbaren Kopro-Antigentests unterscheiden sich daher in ihren Resultaten, sind aber insgesamt deutlich sensitiver als Methoden zum mikroskopischen Nachweis von Giardia-Zysten, sodass auch bei vorübergehend geringer Zystenausscheidung eine Diagnose mithilfe einer Kotprobe möglich ist.
- Molekularbiologische Untersuchung zum Nachweis von Giardia-spezifischer DNA aus angereicherten Zysten mittels PCR oder direkte Kopro-PCR (mittels multicopy-Gene wie z.B. SSU). Gegebenenfalls kann weiterführend auch eine Genotypisierung des vorliegenden Giardia-Isolats erfolgen (vorzugsweise an 3-4 verschiedenen Genloci).
2.1.4. Bekämpfung
Therapie und Bekämpfung
Ob eine Therapie eines Giardia-befallenen Tieres sinnvoll ist oder nicht hängt von verschiedenen Faktoren ab. Eine Behandlung ist bei Vorliegen gastrointestinaler Symptome angezeigt, dabei soll eine kohlenhydratarme Ernährung die Therapie begünstigen. Die Behandlung einer Giardiose ist in manchen Fällen von variablem oder unsicherem Erfolg, so dass die Infektion trotz Therapie bestehen bleiben kann. Häufig kommt es aber auch unmittelbar nach einer Behandlung zur Reinfektion. Daher ist ein Hinweis an den Tierhalter, dass Rezidive möglich oder sogar wahrscheinlich sind, angebracht.
Schlussfolgernd bedeutet dies, dass die Chemotherapie nicht die Elimination der Erreger sichert. Außerdem wird nicht generell empfohlen, klinisch unauffällige Giardia-Träger zu behandeln. Grundsätzlich kann jedoch das Risiko einer zoonotischen Übertragung, besonders bei Anwesenheit von Risikopatienten (Kleinkinder, immunkompromittierte Menschen), oder das Risiko einer Ansteckung anderer Tiere (in Hundezuchten oder in Tierheimen) als Therapiegrund gelten.
In Deutschland sind für die Behandlung der Giardiose bei Hunden und Katzen Tierarzneimittel zugelassen die entweder den Wirkstoff Fenbendazol oder Metronidazol enthalten.
Dosierung von Fenbendazol für die Behandlung der Giardiose bei Hunden und Katzen:
1 x täglich 50 mg/kg KG p. o. über 3 Tage. Diese Behandlung stellt sich in der Praxis jedoch häufig als nicht ausreichend dar, so dass von vorne herein eine 5-tägige Behandlung empfohlen wird.
Dosierung von Metronidazol für die Behandlung der Giardiose bei Hunden und Katzen:
2 x täglich 25 mg/kg KG p. o. über 5-7 Tage.
Auch Kombinationspräparate mit Febantel/Pyrantel/Praziquantel (Umwidmung der Indikation, Dosierung: bei Hunden 1 x täglich Febantel 15 mg/kg KG, Pyrantel 14,4 mg/kg KG und Praziquantel 5 mg/kg KG über 3 Tage; für Katzen doppelte Dosis über 5 Tage) sind wirksam. Außerdem liegen Berichte über die erfolgreiche Anwendung von Ronidazol (2 x täglich 30-50 mg/kg KG über 7 Tage) bei Hunden vor (für Katzen kann die Dosierung für Tritrichomonas foetus von 30 mg/kg KM täglich für 14 Tage angewendet werden). Eine diesbezügliche Umwidmung ist allerdings lediglich bei zuvor nachgewiesenem Therapieversagen der zugelassenen Präparate bzw. Wirkstoffe zulässig.
Eine Therapiekontrolle sollte mit einer der unter 2.1.3 angeführten Methoden etwa 5-7 Tage nach Behandlungsende erfolgen. Bei positivem Befund UND fortbestehender Klinik ist die Behandlung entsprechend zu wiederholen.
Begleitend zur Behandlung sind Maßnahmen zur Verminderung der Kontamination der Umwelt mit Giardia-Zysten (s.u.) durchzuführen bzw. bei ausbleibendem Behandlungserfolg zu intensivieren. Denn: Maßnahmen, die den Infektionsdruck reduzieren, sind für den Erfolg der Therapie oftmals entscheidend. Unterstützend wirkt das Shampoonieren der Hunde zu Beginn und Ende der Behandlung (z. B. mit einem chlorhexidindigluconathaltigen Shampoo).
Sinnvolle Maßnahmen zur Verhinderung der Übertragung auf andere Tiere und zur Prophylaxe einer Reinfektion sind:
- Aufsammeln von Kot und Entfernung des Kotes im geschlossenen Plastikbeutel über den Hausmüll.
- Gründliche Reinigung aller fäkal kontaminierten Oberflächen (Böden und Wände) mit anschließender vollständiger Abtrocknung, optimal ist der Einsatz von Dampfstrahlern (> 60°C).
- Futter- und Trinkgefäße täglich mit kochendem Wasser säubern oder bei > 65 °C in der Spülmaschine reinigen.
- Katzentoilette täglich mit kochendem Wasser säubern und anschließend gründlich abtrocknen.
- Decken/Kissen heiß waschen (> 65 °C ).
- Spielzeug mit kochendem Wasser oder in der Spülmaschine > 65 °C reinigen.
- Kratzbäume gründlich absaugen und reinigen.
- Hunde ggf. auch Katzen gründlich baden und shampoonieren (z. B. mit chlorhexidindigluconathaltigen Produkten), um sie von anhaftenden Kotresten zu säubern, ggf. lange Haare im Analbereich scheren.
- Ggf. Desinfektion von Flächen/Gegenständen mit geeigneten Desinfektionsmitteln. Die aktuelle Desinfektionsmittelliste der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) kann angefordert werden unter www.dvg.net. Zu den dort gelisteten Desinfektionsmitteln mit Kokzidien-Wirkung (nicht speziell für Giardien-Zysten getestet) gehören derzeit Endosan Forte S Neu (H. Willhelm Schaumann) und Neopredisan 135-1 (Menno Chemie-Vertrieb GmbH).
In Tierheimen/Zuchten/Zwingern sind folgende Maßnahmen zusätzlich sinnvoll:
- Schulung und konkrete Anweisung des Pflegepersonals.
- Eingangsuntersuchung auf Giardien bei Tieren, die aufgenommen werden.
- Untersuchung bei Tieren, die zur Zucht eingesetzt werden.
- Untersuchung von Tieren, die unter Durchfällen leiden, ggf. Einleitung von Quarantänemaßnahmen.
- Feuchte Areale trockenlegen und nach Möglichkeit befestigen.
2.1.5. Zoonotische Bedeutung
Die meisten Genotypen, die bei Hunden und Katzen vorkommen, sind keine Zoonoseerreger. Nur zu einem geringen Prozentsatz werden bei Tieren zoonotisch relevante Genotypen nachgewiesen. Mit den in der Praxis üblichen Nachweisverfahren werden die verschiedenen Genotypen jedoch nicht differenziert und identifiziert. Zoonotisch relevante Genotypen können bei Bedarf jedoch mit molekularbiologischen Methoden ermittelt werden. Immunsupprimierte Personen sind besonders gefährdet und sollten bei Auftreten von Magen-Darm-Symptomen einen Humanmediziner aufsuchen.